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Sep 18, 2014Thema des Monats: Gemeinwohlökonomie

Dass die Wirtschaft, so wie sie jetzt existiert, auf Dauer keinen Bestand haben kann und eine signifikante Veränderung braucht, ist inzwischen eine weit verbreitete Ansicht. Befeuert durch die Finanzkrise und die sich in die Länge ziehenden weltweiten wirtschaftlichen Problematiken, haben sich einige alternative Ideen entwickelt und verbreitet. Viele Menschen betonen die nötige Umpolung von Wertvorstellungen und die Miteinbeziehung von moralischen und ethischen Prinzipien in ein neuartiges Wirtschaftssystem.

Eine dieser neuen Ideen ist die der Gemeinwohl-Ökonomie. Der Leitgedanke der zugrundeliegenden Theorie zielt auf ein Neudenken der Relationen zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ab. Wie der Begriff "Gemeinwohl" impliziert, ist das Wohlergehen der Allgemeinheit das oberste Anliegen. Der Fokus liegt dabei auf einem Wirtschaftssystem, das Fairness, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, Demokratie und Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt.

In Verlängerung dieser Eckpunkte, wird ein vollständiger Systemwandel befürwortet, welcher eine Neugestaltung des Bankwesens, der Finanzmärkte, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen beinhaltet. Dazu gehört die Abschaffung von Privatisierung der Natur, Finanzspekulationen und das ewiglich verfolgte Wirtschaftswachstum. Auf der anderen Seite wird die Reduktion von Gehälterspreizungen, kollektiv betriebenen und gesteuerten Unternehmen und mehr direkte Demokratie angestrebt. Demokratie soll insofern direkter werden, als dass diverse Interessengruppen in Entscheidungen von Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und politischen Anliegen einbezogen werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Gemeinwohl-Ökonomie ist die neue Sicht auf die Finanzgewinne von Unternehmen. Diese sollen nicht wie derzeit üblich oberste Priorität und Maßstab für den Erfolg eines Unternehmens sein, sondern ausschließlich als Mittel zum Zweck erkannt werden. Erwirtschaftete Überschüsse sollen für Schuldenrückzahlungen, angemessene Rücklagen, ökologisch sinnvolle Investitionen, zinsfreie Kreditvergaben an andere Unternehmen und begrenzte Ausschüttungen an MitarbeiterInnen und UnternehmerInnen eingesetzt werden. Unternehmen, die sich in Anlehnung der gemeinwohl-ökonomischen Grundsätze engagieren, sollen von Seiten der Politik finanziell entlastet werden, um weitere Anreize zu schaffen.

Kurz gefasst verstehen AnhängerInnen die Gemeinwohl-Ökonomie, als ergebnisoffenen, partizipativen, lokal wachsenden Prozess mit globaler Ausstrahlung. Die eigentlichen Wirtschaftsziele sind dabei: Schaffung von Nutzwerten, Bedürfnisbefriedigung, Sinnstiftung, Teilhabe aller, Mitbestimmung, Geschlechterdemokratie, ökologische Nachhaltigkeit, Lebensqualität. Ein Umdenken von Unternehmen soll langfristig zur Befreiung vom allgemeinem Wachstums und wechselseitigem Fresszwang führen und somit einen bedeutenden kapitalistischen Missstand aushebeln.

Rund um diese Idee hat sich eine Bewegung entwickelt, die heute fast 8.000 UnterstützerInnen zählt und international aktiv ist. Die Bewegung arbeitet unter anderem darauf hin, Netzwerke mit anderen alternativen Initiativen zu schaffen.

Herzstück des Gemeinwohl-Ökonomiemodelles ist die Gemeinwohlmatrix, die es Unternehmen ermöglicht, anhand von ökologischen, sozialen und politischen Parametern ihren Erfolg zu messen. Die sogenannte Gemeinwohlbilanz ist der angestrebte generelle Maßstab für Erfolg. Die VerfechterInnen der Gemeinwohl-Ökonomie sehen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als einen vollkommen unzureichenden Indikator für Erfolg, da ausschließlich wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden, und die damit einhergehende Arbeitslosigkeit, ungerechte Vermögensverteilung und Umweltzerstörung außen vorgelassen wird.

Die Gemeinwohlbilanz wird anhand einer Matrix bestimmt, die sich daran orientiert, wie human, wertschätzend, kooperativ, solidarisch, ökologisch nachhaltig, demokratisch und transparent sich ein Unternehmen bezüglich seinen Berührungsgruppen verhält und organisiert. Die Berührungsgruppen sind hier LieferantInnen, GeldgeberInnen, MiarbeiterInnen und InhaberInnen, KundInnen, Produkte, Dienstleistungen, Mitunternehmen und das gesellschaftliche Umfeld. Die methodische Erfassung erfolgt mittels Gemeinwohlpunkten, die für proaktives Verhalten bei insgesamt 17 qualitativen und quantitativen Indikatoren vergeben werden. Eine exakte Messung des Gemeinwohlbeitrages ist zwar nicht möglich, aber das angestrebte Ziel ist auch eher eine nachvollziehbare, plausible und konsistente Einschätzung, wo sich ein Unternehmen auf dem Weg zum Gemeinwohl befindet.

Das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie wurde von Kritikern unter anderem als "weltfremd", "Wegweiser in Armut und Chaos" und "pseudoökonomischer Pseudokommunismus" bezeichnet. Doch es gibt immer mehr Unternehmen, die sich dieser Bewegung anschließen und sich für eine Bilanzierung entscheiden.

Gemeinwohl-Ökonomie Hamburg
Seit Dezember 2012 ist die Gemeinwohl-Ökonomie auch in Hamburg mit einem Energiefeld vertreten. Nach und nach soll in der Metropolregion ein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell etabliert werden.

In Hamburg haben mit den Unternehmen Ökomarkt e.V., dem PersonalDock, dem Rudolf Steiner Haus Hamburg, der Spielscheune der Geschichten, wellYunit und der Zimmerwerkstatt bereits sechs Betriebe eine Gemeinwohlbilanz erstellt und arbeiten kontinuierlich an der weiteren Verbesserung dieser. Weitere Unternehmen im Hamburger Raum ermitteln zurzeit ihre Bilanzen.

Die Gemeinwohl-Ökonomie wird von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt mit dem Förderprojekt "Modellhafte Umsetzung der Gemeinwohl-Bilanzierung als zentrales Element des weiterentwickelten Nachhaltigkeitsmanagements in kleinen und mittelständischen Unternehmen" unterstützt und engagiert sich im Zukunftsrat Hamburg.

Weitere Informationen unter:
hamburg.gwoe.net/
www.gemeinwohl-oekonomie.de/

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