Die Mehrheit der deutschen Verbraucher lehnt Gentechnik in Lebensmitteln ab. Trotzdem unternimmt die europäische Agrarlobby immer neue Vorstöße, um manipulierte Pflanzen inklusive passender Spritzmittel auf deutschen Äckern zu platzieren. Was passiert bei der so genannten „grünen Gentechnik“ und warum sind nicht nur Bio-Landwirte, sondern auch viele ihrer konventionellen Kollegen dagegen?
Mit Gentechnik werden Pflanzen und Tiere im Labor an die Bedingungen der industriellen Landwirtschaft angepasst und optimiert. Bevorzugt werden Pflanzen bearbeitet, die global massenhaft angebaut werden, zum Beispiel Soja, Mais, Baumwolle, Kartoffeln oder Weizen. In der klassischen Züchtung, wie sie die Menschheit seit Jahrtausenden betreibt, werden durch Auslese und Kreuzung nahe verwandter Sorten die besten Merkmale der Pflanzen kombiniert. Das ist ein Prozess, der viele Pflanzengenerationen dauert.
Pflanzen-Gentechniker tauschen unter Laborbedingungen Gen-Material aus – über Artengrenzen hinweg. So werden Pflanzen wie Soja durch eingebautes Gen-Material unempfindlich gegen Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat gemacht, damit der Landwirt das Unkraut auf dem Acker bequemer kontrollieren kann. Oder dem Mais wird eine DNA des Bakteriums Bacillus thuringiensis eingebaut. Dadurch produziert er so genannte BT-Toxine, die Mais-Schädlinge töten.
Exkurs: CMS – Die „kleine Gentechnik“
Im Gemüsebau spielen gentechnisch veränderte Sorten bislang keine Rolle. Hier kommen allerdings so genannte CMS-Hybriden zum Einsatz. CMS steht für „cytoplasmatische männliche Sterilität“. Bei einer so genannten Cytoplastenfusion werden artfremde Zellen nach Auflösung der Zellwände und Entfernung des Zellkerns der die CMS besitzenden Art verschmolzen. CMS-Hybride sind steril und zeigen die gewünschten Eigenschaften nur in der ersten Generation. Der Übergang zwischen dieser Art moderner Hochleistungszüchtung und Gentechnik ist fließend, weswegen CMS-Hybriden manchmal auch als kleine Gentechnik bezeichnet werden. Ein wichtiges Ziel der Bio-Branche ist es, wieder vermehrt auf traditionelle Sorten und samenfestes Saatgut zurückgreifen zu können.
Das Versprechen der Agrarkonzerne: Dank Gentechnik bessere Ernten, weniger Hunger, weniger Einsatz von Spritzmitteln. Doch das ist nicht der Fall: Die grüne Gentechnik bedient in erster Linie die wirtschaftlichen Interessen von Agrarkonzernen, Risiken und Nebenwirkungen sind bislang nicht umfassend und unabhängig erforscht.
Wenn gentechnisch veränderte Pflanzen einmal auf einem Acker ausgesät wurden, können sie sich unkontrolliert ausbreiten und vermehren. Eine einmal erfolgte Freisetzung ist nicht rückgängig zu machen, auch wenn sich schwerwiegende Folgen einstellen sollten. Fest steht bereits, dass traditionelle Kultur- und Wildpflanzen in ihrem Fortbestand gefährdet werden: Zum einen, weil sie gegen den Herbizideinsatz auf dem Genpflanzen-Acker keine Chance mehr haben, zum anderen durch unkontrollierte Auskreuzungen mit Gen-Pflanzen. Beim Gen-Mais besteht der Verdacht, dass die von ihm produzierten Toxine nicht nur den Mais-Schädlingen den Garaus machen, sondern auch auf andere Insekten und damit das gesamte Öko-System negative Auswirkungen haben könnten.
Durch den Schwund der natürlichen Ackervegetation wird Insekten und anderen Wildtieren die Lebensgrundlage entzogen: Die Artenvielfalt geht zurück. Gleichzeitig entwickeln die Überlebenden der Spritz- und Gift-Attacken Resistenzen. Das führt dazu, dass mehr Unkrautvernichtungsmittel ausgebracht werden muss, beziehungsweise, dass auf dem Gen-Mais-Acker eben doch zusätzlich noch gespritzt wird.
Kein Wunder, dass Gentechnik im Essen den meisten Verbrauchern suspekt ist. Ob und wie sich der Verzehr von Gen-Food langfristig auf den Menschen auswirkt, darüber gibt es kaum Erkenntnisse Ein großes Problem ist in diesem Zusammenhang der mit der grünen Gentechnik eng verbundene massive Einsatz des Spritzmittels Glyphosat. Die Hinweise, dass das weltweit meist verkaufte Unkrautvernichtungsmittel krebserregend sein könnte, verdichten sich immer mehr. Verbraucher in Deutschland kommen mit Gentechnik im Essen meist nur indirekt in Kontakt: Denn konventionelle Futtermittel können aus Gen-Soja & Co. hergestellt worden sein, ohne dass das deklariert werden müsste. Bio-Tiere bekommen dagegen Bio-Futter, dass oft direkt auf dem eigenen Betrieb gewachsen ist.
Für die Agrar-Konzerne ist Gentechnik ein lohnendes Geschäftsmodell. Denn gentechnisch manipulierte Pflanzen und Tiere dürfen patentiert werden. Ein Patent gibt dem Eigentümer das Recht, die gewerbliche Verwertung des Saatguts beziehungsweise der Pflanzen zu kontrollieren. Das bedeutet in jedem Fall, dass Saatgut vom Landwirt jedes Jahr neu gekauft werden muss und nicht züchterisch weiterentwickelt werden darf. Bereits heute dominieren weniger als ein Dutzend Saatgut-Multis den Weltmarkt. Für Saatgut bedeutet das, dass es nicht mehr kulturelles Erbe der Menschheit. Überall auf der Welt geraten Landwirte durch diese Entwicklung in Abhängigkeit. Gefahr droht dadurch sowohl der Nutzpflanzenvielfalt als auch der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.
Bei Bio-Bauern ist der Einsatz von Gentechnik verboten. Sie widerspricht zutiefst dem Verständnis der ökologischen Landwirtschaft. Bio-Bauern setzen auf eine ganzheitliche Betrachtung und Nutzung ökologischer Kreisläufe und Prozesse. Seit 1996 die ersten Gen-Pflanzen kommerziell angebaut wurden, engagiert sich die Bio-Branche in Deutschland, um den Durchmarsch dieser Risikotechnologie zu verhindern. Denn sollte der konventionelle Nachbar plötzlich Gen-Saat auf seinem Acker ausbringen, drohen den Bio-Ernten Verunreinigungen, zum Beispiel durch Pollenflug oder Verunreinigungen bei Ernte und Transport. Es ist aufwändig und kostspielig, Bio-Produkte vor Spurenverunreinigungen zu sichern. Besonders verärgert sind Bio-Bauern darüber, dass sie und nicht etwa die Gentech-Branche, diesen Aufwand tragen und verantworten müssen.
Breite Widerstandsbündnisse gegen die Agro-Gentechnik haben dazu geführt, dass diese in Europa nur eine geringe wirtschaftliche Bedeutung hat. 2014 wurden laut Infodienst Gentechnik auf rund 181 Millionen Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Das sind lediglich 3,6 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit. Das Bündnis Gentechnikfreie Regionen in Deutschland setzt hierzulande Zeichen: So bekennen sich unter anderem Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern zu einer gentechnikfreien Landwirtschaft.
Quellen/zum Weiterlesen:
www.boelw.de
www.gentechnikfreie-regionen.de
www.hamburg-gentechnikfrei.de
www.keine-gentechnik.de