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Saatgut ist Kulturgut

Samenfeste Sorten als Sinnbild nachhaltigen WirtschaftensWarum samenfestes Saatgut für den Bio-Landbau so wichtig ist.

Das Saatgut ist die Keimzelle unserer Nutzpflanzenvielfalt und Basis der menschlichen Ernährung. Doch diese Vielfalt und damit die Zukunft unserer Lebensmittel ist bedroht: Mehr als 75 Prozent aller Kulturpflanzen, die noch 1900 angebaut wurden, sind laut Welternährungsorganisation FAO seitdem unwiederbringlich verschwunden. Der Handel mit Saatgut konzentriert sich global in der Hand weniger Konzerne. Für die ökologische Landwirtschaft ist es von entscheidender Wichtigkeit, die weitere Dezimierung unserer Nutzpflanzenvielfalt zu verhindern, den Durchmarsch der Gentechnik auf unseren Äckern zu verhindern und neue, ökologische Züchtungen zu entwickeln.

Ein Garten voller Gemüse zur Selbstversorgung einer großen Familie war in den 1960er Jahren noch ein gewohntes Bild. Samen wurden gesammelt um sie im nächsten Jahr wieder auszusäen, bewährte Sorten wurden mit dem Nachbar getauscht. So entwickelten sich robuste, kräftige Pflanzen, die bestens an die klimatischen Bedingungen und an die Bodenverhältnisse der Region angepasst waren und sich durch einen unverwechselbaren Geschmack auszeichneten.
Rund 40 Jahre später sind viele dieser Bauerngärten aus unserer Kulturlandschaft verschwunden und mit ihnen viele alte Gemüsesorten. Obst und Gemüse kaufen wir heute im Laden oder auf dem Markt. Bei Äpfeln und Kartoffeln ist es den Verbrauchern noch bewusst, dass es unterschiedliche Sorten gibt, die unterschiedlich schmecken. Aber bei Erdbeeren, Möhren, Tomaten, Blumenkohl stellt sich die Frage kaum noch.
In eben diesen 40 Jahren fand eine rasante Entwicklung in der Agrarwirtschaft statt. Mit dem Wirtschaftswunder entwickelte sich aus den kleinbäuerlichen Strukturen eine Agrarlandschaft mit industriellem Charakter. Der Markt forderte immer mehr Produkte zum kleinen Preis. Mit dem Einzug der Discounter und Fertigprodukte - Pommes, Gemüsekonserven, Babygläschen, etc. -entwickelte sich ein Vertragsanbau, der uniforme Gemüse erwartete, schädlingsresistent, schnell wachsend, zur gleichen Zeit reif und unproblematisch in der industriellen Verarbeitung. Nur so konnten bei geringen Stückpreisen hohe Erlöse erzielt werden. Auch politisch wurde diese Entwicklung vorangetrieben: Normgrößen und makelloses Aussehen wurden in Handelsklassen gesetzlich festgeschrieben. Die Kunden haben sich mittlerweile daran gewöhnt – Gemüse und Obst, mit Form- und Farb- „Fehlern“ sind mittlerweile nur noch schwierig zu verkaufen.

Nicht einmal ein Dutzend multinationale Saatgut-Konzerne kontrollieren über die Hälfte des Marktes. Viele der für den Handel zugelassenen Saatgutsorten unterliegen mittlerweile den Lizenzrechten einer Saatgutfirma oder gar einem Patentrecht. Die fruchtbare und vielfältige Weiterentwicklung von optimal angepassten Nutzpflanzen die unzählige Menschen an unzähligen Orten quasi seit Beginn der Zivilisation betreiben, kommt dadurch zum Stillstand. So werden nicht nur Gärtner und Landwirte weltweit ihrer angestammten Rechte beraubt und ein menschliches Kulturgut zerstört. Diese Entwicklung ist auch gefährlich für die ökologische Vielfalt und so letztlich für die Ernährung der Menschheit.

Mittlerweile wird der Saatgutmarkt von so genannten Hybriden dominiert. Dabei werden zwei nicht verwandte, künstlich erzeugte Inzuchtlinien miteinander gekreuzt. Im ersten Jahr sind die daraus entstehenden Hybridsorten in der äußeren Erscheinung sehr einheitlich und bringen höhere Ernteerträge. Aber sie liefern kein brauchbares Saatgut für weitere Vermehrung. Haarscharf zwischen Züchtung und Gentechnik wird das so genannte CMS-Saatgut (Cytoplasmatische Männliche Sterilität) erzeugt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Hybrid-Züchtung, die sich der Protoplastenfusion (Zellfusionstechnik) bedient. Bei ihr werden artfremde Zellen miteinander verschmolzen. Diese Züchtungs-Technik wird auch als "kleine Gentechnik" bezeichnet. Auch die CMS-Technik gefährdet die Sortenvielfalt, da die aus den Pflanzen hervorgehenden Samen zu 100 Prozent steril sind. Grundsätzlich muss Saatgut im Bio-Anbau aus ökologischer Erzeugung stammen. Aber: Auch im Bio-Anbau sind CMS-Hybriden laut EU-Verordnung zugelassen, weil es schlichtweg an Alternativen fehlt. Die ökologischen Anbauverbände Bioland und Demeter verbieten ihren Mitgliedern trotzdem den Einsatz von CMS-Hybriden. Da eine Mitgliedschaft in einem der beiden Verbände Voraussetzung dafür ist, dem „Unsere Höfe im Norden“-Verbund anzugehören, können Sie hier sicher sein, dass keine CMS-Hybriden in den Einkaufskorb wandern.

Samenfest, schmackhaft und bekömmlich: Das sollen die ökologischen Sorten der Zukunft sein. Unter „samenfest“ versteht man Sorten, aus der man im nächsten Jahr mit selbstabgenommen Samen wieder die gleiche Sorte anbauen kann. Anders als bei Hybriden sind die einzelnen Pflanzen allerdings leicht unterschiedlich und die Anbauer müssen sorgfältig immer das Saatgut von den Pflanzen aussuchen, die jeweils die besten Eigenschaften der Sorte auf sich vereinen. Seit etwa 18 Jahren wird im Bio-Bereich intensiv an der Entwicklung eigener, samenfester Sorten gearbeitet. Bei unsere Höfe im Norden engagieren sich zum Beispiel Christiansens Biolandhof in Silberstedt, Domäne Fredeburg und Gut Wulfsdorf in Ahrensburg für ökologische Gemüsezüchtung. Natürliche Widerstandskräfte, Geschmack und Bekömmlichkeit, also die Ernährungsqualität, stehen dabei ganz oben auf der Prioritätenliste. Dabei benötigen Öko-Züchter Unterstützung, denn die Entwicklung und Zulassung einer neuen Sorte kostet hunderttausende von Euro und kann sich bis zu zehn Jahren hinziehen. Initiativen wie der „Saatgutfonds“ der Zukunftsstiftung Landwirtschaft leisten hier wichtige Hilfe. Mit ihrer Arbeit für Bio-Saatgut legen die vielen Engagierten nicht nur das Fundament dafür, dass wir auch in Zukunft leckeres und gesundes Bio-Gemüse, -Getreide und -Obst bekommen. Jenseits aller wirtschaftlichen Begehrlichkeiten ist Saatgut Kulturgut, das der gesamten Menschheit gehört. Wer dieses Gut schützt, legt den Keim für eine nachhaltige Zukunft. Die Ernte wird allen zugute kommen.
 

Quellen/zum Weiterlesen

www.darzau.de
www.kultursaat.org
www.saatgutfonds.de
www.saveourseeds.org